T H A D E U S at the Movies!
Sonntag, 25. November 2007
Elbvorortler #2
Oft denke ich ein bisschen sehnsuchtsvoll an Berlin zurück, als meine Familie noch nicht in einer so spießigen Gegend gewohnt hat, wie sie es jetzt tut. Und je länger ich hier in Hamburg verbringe ,bisher sind es 2 Jahre, desto mehr fallen mir die Qualitäten meines ehemaligen Wohnorts auf. Vielleicht ein Viertel der Kinder aus meiner Grundschule stammten aus dem nahe gelegenen Kinderheim, ein Großteil davon waren Ausländer. Auf dem Gymnasium im Hamburger Westen, auf dem ich nun lerne, sind wir 1500 Schüler und nur etwa 10 von ihnen haben einen Migrationshintergrund. Den Hauptteil bilden Söhne und Töchter von reichen Eltern und auch die Lehrer scheinen oft in dem Bewusstsein zu leben, sie würden auf einem Elite-Gymnasium unterrichten. Von außen macht die Schule zwar einen sauberen Eindruck, dafür bröckelt die Fassade der Stehkragenträger umso mehr wenn man sich den zigsten Mobbingfall anschauen muss oder abermals die Toiletten mit Kot vollgeschmiert worden sind. Es ist für mich immer wieder interessant und schockierend, wenn ich die Scheitelträger auf dem Schulhof sehe, man sich gleichzeitig aber vorstellen muss, dass welche unter ihnen die Pissrinne vollgeschissen haben oder Fische im Klo-Waschbecken sterben ließen. Wenn hier Gewalt entsteht, dann im Dunkeln und erzeugt von einer Langeweile, die unter den Schülern grassiert, die im materiellen Überfluss ersticken. Und wenn hier jemand zur Rechenschaft gezogen werden soll, schalten sich sofort die mächtigen Eltern ein, reden mit dem Direktor und die Sache ,egal wie schwerwiegend, ist vom Tisch. Aber ich will nicht so tun, als wäre ich ein Ghetto-Kind und ich bin es nie gewesen. Auch mir mangelt es an nichts und ich habe zwei Eltern ohne finanzielle Probleme. Doch gerade dadurch, dass ich erlebt habe, wie es in Berlin zuging, schockiert mich der krasse Gegensatz immer wieder. In Berlin herrschte eine ganz andere Stimmung in der Schule, da die Leute aus einer ganz anderen Gesellschaft kamen. Es gab viel mehr Reibereien mit den Lehrern, Schüler brachten Messer in die Schule mit, es wurde geraucht, es wurde getrunken, es gab gelegentlich Schlägereien. Alles Dinge, die in Hamburg nur im Dunkeln passieren. Trotzdem habe ich fast nur positive Erinnerungen an Berlin. Der Zusammenhalt war ein ganz anderer und auf seine Freunde konnte man zählen. Mein bester Freund war damals ein Asiate, deren Familie in einer winzigen 5-Zimmer Wohnung wohnte, obwohl er 6 Brüder hatte. Und obwohl die Familie extrem viele Problemen hatte, wurde ich dort immer mit offenen Armen erwartet. Wenn ich heute einen Freund besuche, sitzt die Mutter oft im obersten Stockwerk am Computer, der Vater ist arbeiten, der Sohn sitzt zwei Stockwerke tiefer vor dem Fernseher und die Fertig-Lasagne für den für Von der Schule Kommenden dreht sich in der 400 Euro-Mikrowelle.
In Berlin bot eine Bekannte der asiatischen Familie Teak-Wan-Do Kurse in der Turnhalle des Kinderheims an und ich habe lange auch mitgemacht. Dort lernte ich zum Beispiel jemanden kennen, dessen Mutter Alkoholikerin war und der deshalb im Kinderheim lebte. Er stand immer kurz vor dem Schulverweis wegen einiger Geschichten, unter anderem wollte er sein Messer nicht abgeben und wurde gegenüber Lehrern gewalttätig. Und obwohl ich ihn nicht allzu gut kannte, grüßte er mich immer, wenn er mich traf, bot mir bei Problemen Hilfe an und ich konnte immer auf ihn zählen. Es ist schon länger her, als ich noch Kontakt nach Berlin hatte, dass mir ein anderer mir per E-Mail erzählte, dass dieser wohl nun vollkommen auf die schiefe Bahn gekommen ist, er für Wochen aus dem Kinderheim flüchtete und fast nur noch die Schule schwänzen würde. Auch mein damaliger bester Freund hatte Probleme, da der Vater seine Mutter mit 7 Kindern für eine andere sitzen ließ. Trotzdem waren die Schüler dort um Dimensionen erwachsener und auf eine Weise auch vernünftiger, als die, die ich hier kenne.

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