T H A D E U S at the Movies!
Sonntag, 9. September 2007
Im Kino: Das Bourne-Ultimatum
"Look at us. Look at what they make you give."

Der vielleicht schönste Moment eines Kinofilms ist die letzte Szene. Dieses kurze, aber ungeheuer wichtige Stück Film vor dem Abspann. Das sind die Szenen bei denen mich im besten Falle ein echtes Glücksgefühl überkommt, denn nichts ist schöner als die Sekunde, in der die Musik des Abspanns einsetzt. Im "Bourne-Ultimatum" wird das Besagte in jeder Hinsicht auf die Spitze getrieben, weshalb man den Film schon für seinen "Abspann-Moment" lieben muss. Jeder, der den Film gesehen hat, weiß was ich meine: Die perfekt geschnittene Sequenz, das wunderbare Lächeln von Julia Stiles und vor allem das geniale Lied von Moby, welches sich durch alle drei Teile zieht, im "Bourne-Ultimatum" aber etwas aufgepeppt wird. Ein Film muss nicht unbedingt ein Happy End haben, aber ein Film, der seine Zuschauer deprimiert aus dem Kinosaal entlässt, kann kein guter Film sein. Der Zuschauer sollte beim Verlassen des Kinosaals lebendiger sein, als beim Eintreten.

Wobei doch der Film eigentlich recht schwach anfängt. Es dauert seine Zeit bis man sich von den üblichen Hollywood-Sehgewohnheiten losgelöst hat und selbst dann wirken die Wackelkamera-Szenen in Moskau doch recht lahm, da es ungewöhnlich für einen Film ist, derart rasant zu starten. Ich kenne keinen Film, der mit einem derartigen Schnittmassaker beginnt. Ich bat nur kurz meinen Kumpel, mir die Popcorn-Tüte zu reichen, da hatte ich schon eine ganze Szene verpasst. Die Handlung setzt direkt nach dem zweiten Bourne-Film, die "Bourne-Verschwörung", ein und so folgt der Film überhaupt nicht der klassischen Hollywood-Dramaturgie. Er verzichtet auf viele Erklärungen und der Anfang dürfte auf Nichteingeweihte, also Leute, die, die ersten beiden Teile nicht kennen, etwas eigenartig wirken.

Der Film insgesamt funktioniert aber auch erstaunlich gut für Neulinge, da er seinen Charme ebenso entwickelt, wenn man die Story einfach darauf komprimiert: "Ehemaliger CIA-Agent mit Amnesie und Geheiminformationen wird von anderen CIA-Leuten gejagt und versucht herauszufinden, wer der Schuldige ist." Mein Kumpel jedenfalls, der die anderen beiden Teile nicht kennt, war jedenfalls auch recht angetan von dem Film.

"Das Bourne-Ultimatum" zweigt sich aber auch von den meisten anderen Big-Budget Produktionen ab, indem nicht wirklich auf einen Showdown hingearbeitet wird, sondern der Film von der einen Action-Sequenz zur anderen hangelt. Trotzdem ist das immer so gut inszeniert, dass sich nie ein Gefühl der Übersättigung einstellt, sondern man von jeder Actionszene neu gepackt wird.

Was Paul Greengrass, der John Lennon unter den Filmemachern, an Actionszenen liefert, ist wirklich eine Offenbarung. Da wäre beispielsweise die atemlose Hetzjagd über die Dächer von Tanger, bei denen sich Bourne von Fenster zu Fenster schwingt und durch Dutzende Wohnzimmer rast: Eine grandios zusammengeschnitte, sehr lange Sequenz, die einen vor Aufregung in den Kinosessel noch ein wenig tiefer drückt. Außerdem bietet der Film die beste Verfolgungsjagd seit vielen, vielen Jahren bei der die nicht immer geliebte Wackelkamera, das Markenzeichen von Paul Greengrass, voll zur Geltung kommt. Ich habe lange nicht mehr eine so authentische wie aufregende Actionsequenz gesehen. Vor allem die Crashs sind derart schmerzhaft, dass man wirklich für einen Moment die Augen schließen muss.

Was man sich dabei immer vor Augen führen muss: Der Film ist Action und die Action ist der Film! "Das Bourne Ultimatum" ist einfach das große Finale eines etwa 6-Stündigen Gesamtwerks, dessen Geschwindigkeit sich Film um Film steigert.

Der erste Film war sehr erfrischend und hatte diesen Charme alter 70er Jahre Thriller-Klassiker wie " Die 3 Tage des Condor". Außerdem war Franka Potente mit dabei. Teilweise krankte der Film an ein paar Längen und war erstaunlich actionarm, vornehmlich weil die Leute kurz nach 9/11 keine Lust mehr auf Explosionen hatten.
Im zweiten Film wird die Sichtweise zum Glück geändert. "Die Bourne-Verschwörung" ist wesentlich düsterer als der Vorgänger und von Anfang bis Ende voll mit Wackelkamera, was teilweise in die Hose geht, wie die ermüdende Verfolgungsjagd in Berlin beweist. Trotzdem ein starker Film, vor allem weil er den Charakter Bourne konsequent weiter entwickelt.
Das bleibt beim "Ultimatum" aufgrund des hohen Tempos etwas auf der Strecke. Allerdings gibt es auch diese erstaunlich brutale, inszenatorisch perfekte eine Szene, in der Bourne den auf ihn angesetzten Killer erwürgt und man merkt wie ungern Bourne dass tut und wie Leid er das Töten ist. Er will ein neuer friedlicher Mensch werden, der nicht nur durch Gewalt kommuniziert. Durch seine Vergangenheit wird er aber dazu gezwungen, seine mörderischen Fähigkeiten anzuwenden. Das ist es, was Bourne so besonders macht.

Es gibt also zwei Sachen, welche die Bourne-Filme vom Durchschnitt abheben:
Da wäre einmal Matt Damon. Er spielt diesen grandiosen Geisteskonflikt des Helden so überzeugend, dass die Filme vom Anspruch her zwei Ligen über James Bond und Ethan Hunt gehoben werden. Jason Bourne hat eine viel komplexere Persönlichkeitsstruktur als alle anderen fiktiven Agenten-Kollegen.
Was außerdem in allen drei Filmen auffällt, ist, dass es keine Bösen und Guten gibt. Das Böse in allen drei Filmen ist das System, was die Darsteller zu dem macht, was sie sind. Jason Bourne selber ist kein James Bond. Jason Bourne war ein eiskalter Killer, der unschuldige Leute auf Befehl ermordet hat, ohne den Grund zu wissen. Und in allen drei Teilen, vornehmlich aber im dritten ist er nicht nur auf der Suche nach seiner früheren Identität, sondern immer auch auf der Suche nach dem Ursprung des Systems, welches ihn zu diesem Mörder gemacht macht. Die Leute, die das System personifizieren, sind auch allesamt keine Dr.No´s, sondern Menschen, deren Beweggründe man versteht, aber nicht unterstützt. Das liegt auch daran, dass man sich hier nicht auf berühmte Namen verlässt, sondern auf Schauspieler, die ihr Handwerk verstehen. Im dritten Teil bekommt dann Matt Damon mit David Strathairn einen großartigen Gegenpol.

Angenehm daran ist auch, dass gnadenlos mit dem Patriotismus abgerechnet wird, ohne je in simples wie blödes Bush-Bashing zu verfallen.

Überrascht hat mich der Auftritt Daniel Brühls (der die deutsche Ersatz-Beteiligung für die im zweiten Teil erschossene Franka Potente ist), der eine der wenigen ruhigen Szenen des Films souverän meistert.

Schlussendlich kann man also sagen:
"Das Bourne Ultimatum" ist eine inszenatorisch grandiose, atemlose Hetzjagd, die einen derart packt, dass man über ein paar Story-Lücken gerne hinwegsieht.

Lang lebe Jason Bourne!

8/10

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