T H A D E U S at the Movies!
Sonntag, 30. September 2007
Im Kino: Ratatouille
"Food always comes to those who love to cook."

An den Anfang dieser Kritik möchte ich eine kleine Provokation stellen: Ich halte Pixar für überbewertet. Sicherlich hat jeder Pixar-Film sehr fantasievolle Ansätze, im Grunde aber ist die Story eines Pixar-Films stets unglaublich vorhersehbar und folgt den immer gleichen Pfaden und Grundregeln. "Findet Nemo" und viele andere Pixar-Streiche sind außerdem wirklich reine Kinderfilme, also außer für Grundschüler nur für sehr kindgebliebene Leute geeignet, denn sie alle beinhalten ohne schlechtes Gewissen einen ganzen Haufen ziemlich klebrigen Pathos, den nur ein unschuldiges Kinderherz wirklich bedingungslos genießen kann.

Das bestätigen auch die Trailer, denn obwohl es eine 18 Uhr Vorstellung ist, werden ausschließlich Kinderfilme beworben. Schließlich wird der amüsante Pixar-Kurzfilm "Lifted" gezeigt und dann endlich flimmert "Ratatouille" über die Leinwand.

Wofür man die Pixar-Bosse loben muss, ist, dass sie gegen den Trend schwimmen und statt putzigen Pinguinen sich diesmal Ratten als tierische Hauptdarsteller ausgesucht haben. Nagetiere hatten wir schon mal, in den ekelhaft kitschigen "Stuart Little"-Filmen nämlich, doch Remy (die Kochratte) und seine Artgenossen sind das Gegenteil vom langweiligen Gutmenschen Stuart, außerdem ist Stuart schließlich eine weiße Maus, wenn ich mich recht entsinne. Die Rattenart wird hier nicht beschönigt, die Film-Nager sind fast alle fett, keine Schönheiten und essen vornehmlich Dreck.

Bis auf Remy eben, der mit seiner Rattenkolonie ein gemütliches Landleben führt. Als sich aber Remy und sein liebenswert dümmlicher Bruder ins Haus der älteren Dame schleichen, in der sich der Ratten-Clan eingenistet hat, um ein paar Köstlichkeiten aus der Küche zu stehlen, lassen sie leider ihren Clan auffliegen und müssen vor der wild umherschießenden Oma durch die Kanalisation fliehen. Weil Remy unbedingt noch sein geliebtes Kochbuch holen muss, wird er aber von der Gruppe getrennt und landet nach einer Irrfahrt durch die Kanalisation Frankreichs schließlich in Paris.

Das dramaturgische Grundkonstrukt könnte vorhersehbarer kaum sein, es wird genau die Story erzählt die man von Pixar erwartet und man kennt so ziemlich jede Wendung der Geschichte auch ohne großes Filmwissen. Das wunderbar Neue an "Ratatouille" ist aber, dass die Hauptfigur Remy ein erstaunlich ausgewachsener Charakter ist. Eine erwachsene Ratte mit einer unstillbaren Liebe zum Kochen und zu gutem Essen und kein dummer, kleiner Clownfisch oder ähnliches. Die Figur des Remy gewinnt auch sehr durch die sehr gute Synchronstimme (im Original wird er von dem Spence Olchin-Schauspieler Patton Oswalt gesprochen, in der deutschen Fassung von Axel Malzacher). Auch bei den anderen Charaktern war die Synchro stets erste Sahne und es ist schön, dass man bis auf Tim Mälzer (der seinen Part natürlich versaut) auf Schauspielerstars, die synchronmäßig nichts können, verzichtet hat und echte Profis zu Rate zog.

Warum "Ratatouille" mich trotz seiner Vorhersehrbarkeit überzeugt hat, liegt an seiner angenehmen Unkitschigkeit, obwohl die Story eigentlich genug Anlass zu kitschigen Szenen geben würde. Die Musik ist aber an den markanten Stellen dezent eingesetzt und man hat versucht den Pathos so wenig wie möglich in den Film einzustreuen.

Ein Reinfall dagegen ist der menschliche Gegenpart zu der Ratte Remy, der untalentierte Tollpatsch und Möchtegern-Koch Linguini, durch den die Ratte (mit einer etwas unglaubwürdigen Methode) ihre Kochkunstwerke produziert und der Ruhm natürlich (erstmal) der Marionette zufliegt. Ich hatte schon nach den ersten Szenen so eine tiefsitzende Aversion gegen diesen jämmerlichen Rotschopf, dass ich bei jeder Szene mit ihm über einen so stereotypen Charakter innerlich aufseufzen musste. Linguini ist eben ein "liebenswerter Dummkopf" der alten Schule, der alleine nichts Zustande kriegt, sich in ein Mädel verliebt und plötzlich durch jemand anderes zum großen Star wird und das Mädel am Schluss natürlich bekommt. Tausend Mal gesehen, tausend Mal gelangweilt. Aber es gibt auch ein paar Figuren in "Ratatouille", die man lieben muss. Der Restaurantkritiker Anton Ego etwa, der durch seine Pikiertheit und seinen Zynismus erst den üblichen Bösewicht darstellt, dann aber zu einer ganz zentralen Rolle des Films wird und eine herzliche Parodie auf den Kritiker an sich ist.

Die Menschen in "Ratatouille" sind alle eine Parodie auf den Klischeefranzosen, so läuft der zwielichtige Küchenchef nach seinem Rauswurf im Alain Delon-Mantel inklusive Sonnebrille einsam durch Paris und die Gäste des Edelrestaurants, in dem die Ratte aushilft, tragen meistens Hornbrille und Rollkragenpullover. So hat der Film stets Züge einer Satire auf die französische Oberschicht, wofür auch das wunderbare Ende steht, in dem ein einfaches Bauerngericht all die gebratenen Froschschenkel und panierte Fischeier der Haute Cuisine besiegt.

Erstaunt war ich auch, dass der Film erstaunlich geschwätzig ist. Es wird sich viel mehr Zeit für Dialoge und Personen genommen, als in allen anderen Animationsstreifen, die ich kenne. So ist der Humor auch ein anderer. Es gibt fast nie wirkliche Schenkelklopfer, der Humor ist leiser und anspruchsvoller, aber auf keinen Fall unwitziger. Die Witze über Franzosen beispielsweise sitzen, und ohne dass man niveaulos wird. Manchmal wird der Film aber fast zu geschwätzig und verliert gefährlich an Fahrt.

Wirklich vom Hocker gehauen haben mich aber die Animationen. Das alles ist so realistisch und schick, dass es einem den Atem raubt. Da der Film seine Zuschauer nicht in Schnittgewittern und vorbeirauschenden Bildern ertränkt, wurden die Räume wundervoll plastisch gestaltet und der Lichteinfall ist stets eine Perfektion. "Ratatouille" zeigt stets wundervoll die Faszination von Paris und jeder der einmal diese wunderbare Stadt besucht hat, weiß, wie wahrheitsgetreu der Film diese Stadt widergibt. Man merkt, dass die Macher echte Paris-Fans sind. Auch bei den Ratten kann man jedes Fellhaar einzeln zählen und auch die Menschen sehen teilweise so echt aus, dass sie gar nicht mehr animiert aussehen, sondern eher wie eine perfektionierte Variante von Wallace & Gromit. Die Lederjacke von Linguinis Herzblatt Colette ist so ein Fall, in dem man sich fragt, wo die Grenze zwischen Animation und Realität ist.

Die Kameraführung weiß ebenfalls zu überzeugen, sie verwandelt die spärlich gesäten aber umso genialeren Verfolgungsjagden selbst für Erwachsene packend, in dem sie konsequent dem Rattenkörper folgt, bleibt meistens ruhig und setzt stets die richtigen Akzente.

Schlußendlich kann man sagen, dass "Ratatouille" ein sehenswerter Film ist, der allzu junge Semester durch seine fehlende Action aber eher langweilen als unterhalten wird. Trotzdem hat mich als Animationshasser "Ratatouille" etwas umgestimmt. Der Film ist sicher nicht vollkommen und nicht ganz die Sensation, die manche in ihm sehen wollen, aber eine reife, warmherzige Studie über die Faszination von gutem Essen ist er alle mal.

75%

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